Wie islamistische Fanatiker zu Spanischen Linken mutieren …

Kommentar zum TA-Artikel Das Ende der Pax Americana von Arthur Rutishauser, Chefredaktor TA.

Der Artikel reiht sich ein in die lange Liste Tagesanzeigerischer Einseitigkeit. Gespickt mit unbewiesenen Behauptungen und geschickt eingeflochtenen Assoziationen, die ein pro-amerikanisches Weltbild suggerieren.

Mehrfach betont der Autor, dass alle, die auf der Welt Macht und Einfluss haben, im Syrienkonflikt bloss zugeschaut haben. Dass gerade die USA mit ihrer (illegalen) Unterstützung der Terroristen(„Rebellen“) den Krieg massiv anheizte, wenn nicht gar erst ermöglichte, wird verschwiegen. Unterschwellig ist mit diesem Vorwurf gegen das Nichteingreifen ausserdem ein Aufruf zum Handeln, i.e. zum Krieg verbunden.

Die Situation erinnert ein wenig an den Spanischen Bürgerkrieg, in dem die Linke sich so lange gegenseitig bekriegte, bis die Faschisten siegten. Ähnlich wie damals rühren die westlichen Demokratien keinen Finger,[…]

Wie gesagt, grundfalsch. Denn die grösste westliche Demokratie – die USA – haben weit mehr als einen Finger gerührt, sie haben heftig mitgemischt in diesem Bürgerkrieg… Dass Rutishauser die Spanischen Linken von 1936 mit den fanatischen Islamisten vergleicht, sagt aber einiges darüber aus, was er von der damaligen Republik resp. „den Linken“ generell hält…[1]

[…] und die Verbündeten der Kriegsgegner, allen voran Russland und Saudiarabien, schliessen andernorts bereits lukrative Deals. So geschehen anno dazumal, als Stalin mit Hitler einen Pakt schloss, so geschehen letzte Woche, als sich auch die Russen und die Saudis mit der Opec im Schlepptau trotz des Stellvertreterkriegs in Syrien auf eine Drosselung der Ölfördermenge einigten.

Was schlussendlich der Öldeal mit dem Syrienkrieg zu tun hat und wie der Hitler-Stalin Pakt genau mit der jetzigen Situation korreliert, bleibt uns der Autor schuldig. Oder will der Autor uns sagen, dass der Öldeal ein Hitler-Stalin Pakt sei? (Immerhin vergleicht der Autor Putin nicht mit Hitler, sondern ‘nur’ mit Stalin…). Auf der suggestiven Ebene ist der Abschnitt jedoch sehr eindeutig: Hitler-Stalin-Putin-Saudi-OPEC.

Im Gegensatz zu den Amerikanern, die für ihre Einflussnahme in der Region in den letzten 15 Jahren Hunderte Milliarden Dollar einsetzten und ein Desaster hinterliessen, macht Putin mit dem Krieg in Syrien ein Geschäft.

Dass die Bevölkerung der USA am Irakkrieg nichts verdient hat, ist sicher richtig, doch die Gewinne einzelner Firmen gehen in die Milliarden: KBR, eine Tochtergesellschaft von Halliburton hat alleine fast $40 Milliarden an Aufträgen erhalten; Die Gesamtsumme der an US Firmen vergebenen Aufträgen beläuft sich auf mindestens $138 Milliarden.[2] Die entscheidenden 0.1% der USA machten mit dem Irak-Krieg daher ein Riesengeschäft!

Apropos Geschäft: Gibt es da nicht ein Projekt für eine Gasleitung durch Syrien, mit der russisches Gas konkurriert und Russlands Einnahmen untergraben werden könnten?[3] Vielleicht gibt es die Parallele zum Spanischen Bürgerkrieg – als westliche Grosskonzerne die Putschisten unterstützten – tatsächlich.[4]

Nach dem Fall der Berliner Mauer träumten US-Präsidenten davon, global eine Pax Americana durchsetzen zu können.

Man kann den Begriff pax americana – mit etwas Verblendung – auch positiv deuten… Was jedoch de facto die Grundpfeiler von einer pax americana sind – im Gegensatz zur jeweils genannten „democracy promotion“, habe ich hier beschrieben.

Kurzfristig ist wohl zu erwarten, dass sowohl die EU wie auch die USA ihre Wirtschaftssanktionen gegen Russland begraben und damit die russische Annexion der Krim wie auch die brutale Einflussnahme in Syrien stillschweigend akzeptieren.

Dass sowohl der Anschluss der Krim keine Annexion war, als auch die brutale Einflussnahme – i.e. die militärische Unterstützung Assads – völkerrechtlich legal waren[5], ist wohl nebensächlich. Denn brutale Einflussnahme akzeptieren wir stillschweigend nur im Falle der USA. Es gibt weder Sanktionen gegen die USA, obwohl deren brutale Einflussnahme (Kriege) im 21. Jh. die schlimmsten Völkerrechtsverletzungen aller Staaten darstellen (Irak, Afghanistan, Jemen, Libyen, Syrien plus aussergerichtliche Exekutionen durch ferngesteuerte Drohnen), noch sind die USA wegen brutaler Einflussnahme (Kriegsverbrechen) in Den Hague angeklagt. Denn die Macht des Stärkeren (USA) setzt sich seit Jahrzehnten ohne belangt zu werden weltweit durch. Die Schweiz war bisher nie existenziell gefährdet,[6] sie musste lediglich manchmal Gesetze erlassen[7], Verfahren einstellen[8] oder Asyl verweigern[9], i.e. sich der Macht des Stärkeren beugen und „ausführen, was sie befehlen“[10].

Denn wir – wie wohl die meisten Länder auf der Welt – sind existenziell darauf angewiesen, dass das Völkerrecht, Grenzen und Regeln respektiert werden – und sich nicht einfach die Macht des Stärkeren durchsetzt.

Es ist dennoch mit dem Autor zu wünschen, dass Völkerrecht, Grenzen und Regeln von allen respektiert werden und wir uns nicht einfach einer pax americana unterwerfen müssen, die den USA das Sonderrecht einräumt, nach Belieben internationales Recht brechen zu dürfen.

Mögen alle Staaten internationales Recht respektieren![11]

1Der Vergleich ist bei näherer Betrachtung weit unangebrachter als auf den ersten Blick zu erkennen. Während die (linke) Volksfront in Spanien die Wahlen 1936 legitim gewonnen hatte und die Putschisten mit Hilfe von Italien, Deutschland und den USA darauf mit Terror antworteten, sind die „Aufständischen“ in Syrien – wie der Autor selber schreibt – fanatisierte islamistische Widerstandskämpfer, die von reichen Saudis finanziert werden. Diesen Gruppierungen fehlt jegliche Legitimation (und „links“ sind sie etwa so, wie McDonalds’s health food ist). Der Vergleich scheint daher ein plumper Versuch, die „Aufständischen“, (i.e. fanatisierte islamistische Widerstandskämpfer) als Linke zu kolportieren, um der links-liberalen Aufmachung des TA gerecht zu werden.

2Financial Times, Contractors reap $138bn from Iraq war, https://www.ft.com/content/7f435f04-8c05-11e2-b001-00144feabdc0

3Infosperber, Syrien, ein Krieg um Gas und Öl, http://www.infosperber.ch/Artikel/Politik/Syrien-ein-Krieg-um-Gas-und-Ol

4„Ein nicht unwesentliches Element bildete ferner die wirtschaftliche Unterstützung der Nationalisten durch ausländische Großkonzerne, besonders aus den USA und Großbritannien, in deren Händen sich große Teile der spanischen Industrie und Infrastruktur befanden. So kontrollierte Rio Tinto das Minenwesen und ITT gehörte ein Großteil der Kommunikationsinfrastruktur. Die geringeren finanziellen Mittel der Nationalisten gegenüber der republikanischen Regierung wurden durch großzügige ausländische Kredite für erstere wettgemacht, die den Einkauf großer Mengen an Kriegsausrüstung wie Lastwagen, die nicht unter das Embargo bzw. die amerikanischen Neutralitätsgesetze fielen, und Öl erlaubte. Schwarze Geschäfte, wie die Lieferung von 40.000 Bomben durch DuPont, wurden dabei teilweise über Deutschland abgewickelt.“, https://de.wikipedia.org/wiki/Spanischer_B%C3%BCrgerkrieg

5Die militärische Unterstützung Assads durch Russland ist völkerrechtlich legal. Allfällige Kriegsverbrechen, die während dieses Krieges begannen wurden, sind natürlich nicht legal. Der Angriffskrieg der USA gegen den Irak, der Krieg in Libyen, etc. waren völkerrechtlich nicht legal – ganz abgesehen von zusätzlich begangenen Kriegsverbrechen wie sie z.B. durch Wikileaks offengelegt wurden.

6Wenn wir das moralische Versagen der Schweiz diesbezüglich einbeziehen, ist eine gewisse existenzielle Gefährdung tatsächlich gegeben.

8„Wenige Tage nach der Intervention LeVines legte auch die Bundesanwaltschaft eine Strafanzeige wegen der US-Spionage in der Schweiz ad acta. Erst kürzlich stellte sie zudem ein Verfahren wegen der Überwachung der Umgebung der amerikanischen Missionen in Bern und Genf ergebnislos ein. Begründet wurde der Abbruch der Abklärungen damit, dass der Verdacht nicht konkret gewesen sei und sich keine Hinweise auf Straftaten ergeben hätten.“, http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/schweizer-rueckzieher-im-fall-snowden/story/28546514

9„Bislang war unbekannt, wie sehr die USA in Bern diplomatischen Druck ausübten, um zu verhindern, dass Snowden schweizerischen Schutz erhält. Botschafterin Suzi LeVine persönlich intervenierte in einem entscheidenden Moment. Am 19. September 2014 sprach die oberste amerikanische Vertreterin beim Bundesamt für Justiz vor. Danach wurden in Bern Überlegungen, den Whistleblower zu schützen, nicht weiterverfolgt., http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/schweizer-rueckzieher-im-fall-snowden/story/28546514

10Die Haltung der USA beschreibt Noam Chomsky mit „what we say goes“. Die Schweiz leistet dieser Haltung Folge wie die Beispiele zeigen.

11Eine UN-Resolution mit dem Aufruf, internationales Recht zu respektieren, wurde 1986 von den USA abgelehnt. „Little notice was taken when the US vetoed a Security Council resolution calling on all states to observe international law and voted against General Assembly resolutions to the same effect (with Israel and El Salvador in 1986; with Israel alone in 1987). The guiding principle, it appears, is that the US is a lawless terrorist state and this is right and just, whatever the world may think, whatever international institutions may declare.“, Noam Chomsky, http://www.chomsky.info/articles/199112–02.htm

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